Interview mit Hans-Georg Willmann

Hans-Georg Willmann und ich kennen uns aus verschiedenen Kontexten, in denen wir zusammenarbeiten. Seine Art zu arbeiten, inspiriert mich immer wieder aufs Neue. So war er beispielsweise zwölf Monate in Australien, wo er seine Tätigkeit als Coach erfolgreich fortgesetzt hat.

„Den Blick schärfen“

 

Herr Willmann, Sie haben ein Jahr als Coach in Australien gearbeitet und sind seit Anfang Mai wieder in Freiburg zurück. Wie lautet Ihr Resümee zu diesem Auslandsaufenthalt?

Es ist noch sehr früh, um ein Fazit ziehen zu können. Doch was ich jetzt schon sagen kann: Der Kontext hat sich geändert, in dem ich unterwegs war. Das hat mich in meiner Wahrnehmung wieder schärfer gemacht. Ich musste quasi bei Null anfangen und alle Strukturen – wie Wohnung, Büro, Internetanschluss und so weiter – neu aufbauen. Das hat mich für Veränderungen dieser Art sensibler gemacht. Sowohl beruflich, wie privat.

Das klingt sehr interessant, und ich möchte gerne auf Ihre Tätigkeit als Coach näher eingehen. Sie haben in Australien bei Bestandskunden, als auch bei Neukunden verstärkt mit den Methoden „Coaching via E-Mail, Telefon und Skype“ gearbeitet. Wie kam es dazu?

Coaching mit modernen Medien habe ich bereits in Deutschland eingesetzt. Wenn ich zurückdenke, arbeite ich damit sicherlich schon seit zehn Jahren in meiner Selbstständigkeit. 25 bis 30 Prozent meines Umsatzes in Deutschland laufen über diese Medien. In Australien habe ich bis zu 80% damit gearbeitet. Dort ist die Begleitung via E-Mail, Telefon oder Skype ein gängiges Format, das aufgrund der Distanzen weit verbreitet ist. Selbst bei der ärztlichen Betreuung – der sogenannten Telemedizin – oder für Kinder, die auf Farmen leben und unterrichtet werden müssen, werden diese Medien genutzt (Anm. Red.: School of the Air, gegründet 1951 in Alice Springs). Darüber hinaus sind auch die Internetpsychotherapie und das Internetcoaching weit verbreitet.

Und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Grundsätzlich handelt es sich dabei nicht um eine neue Methode, sondern um ein anderes Format. Diese Medien erlauben es, zeit- und raumunabhängig zu arbeiten. Dabei ergeben sich ganz spannende und interessante Punkte. So habe ich durch die Zeitverschiebung quasi über die Nacht europäische und damit auch deutsche Kundenanfragen beantworten können, so dass meine E-Mails wiederum am nächsten Morgen in Deutschland gelesen werden konnten. Außerdem waren die technischen Voraussetzungen in Australien hervorragend – es gab keine Einschränkungen. Die Kunden – sowohl Bestandskunden, als auch Neukunden – haben diese Zusammenarbeit sehr, sehr gut angenommen. Auch Unternehmen haben diese Art der Begleitung für Business-Coaching ihrer Führungskräfte genutzt, so dass sich daraus tragfähige Coaching-Prozesse ergeben haben.

Ich möchte sogar sagen, dass manche Kunden mit manchen Coaching-Anlässen – unabhängig von der Kultur – gerade diese Formate sehr schätzen, bei denen man sich nicht persönlich begegnet. Es gibt Kunden, die habe ich noch nie persönlich gesehen. Dazu muss man natürlich als Berater eine Affinität haben, und hierbei kommt mir insbesondere meine Tätigkeit im psychologischen Dienst beim Deutschen Entwicklungsdienst (Anm. Red.: heutige Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ) zugute. Dort habe ich von Deutschland aus Entwicklungshelfer in Entwicklungsländern per Telefon in schwierigen Situationen beraten.

Sie begleiten also Menschen aus aller Welt. Gibt es Unterschiede zu Coachings mit deutschen / europäischen Coachees?

Genau, ich begleite Coachees sowohl in Australien, als auch in Südamerika, USA, Afrika oder Asien. Bevor ich auf die Unterschiede eingehe, möchte ich sagen, dass meine internationalen Klienten in der Regel einen Bezug zur internationalen Arbeit und zu Deutschland haben. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Expat kommt aus einem entfernten Land wieder nach Deutschland zurück und benötigt Beratung. Umgekehrt kommen Personen aus dem Ausland auf mich zu, weil sie als Expats nach Europa, oft Deutschland, kommen. „Aus aller Welt“ hört sich groß an, doch die Welt ist wiederum sehr klein.

Was die Unterschiede anbelangt, kann ich aus meiner Wahrnehmung sagen, dass die meisten deutschen Kunden immer „straight to the point“ sind. Das heißt, es gibt kein großes „warming up“ zu Beginn eines Termins, sondern wir steigen direkt in das Thema ein. In anderen Kulturen ist das anders. Da fragt man sich erst einmal, wie es einem geht. Mir selbst ist das beispielsweise in Neuseeland passiert, als ich auf einen Aussichtsturm wollte und direkt zur Ticketverkäuferin sagte: „Two tickets, please.“ Ihre Antwort: „Hello. How are you?“.

Das ist ein schönes Beispiel. Gibt es noch weitere Unterschiede?

Sicherlich die Sprache. Psychologische Unterschiede im Erleben und Verhalten von Menschen sind hingegen über die verschiedenen Kulturen relativ stabil. Natürlich gibt es soziokulturell und kontextual bedingte Feinheiten. Mit einer offenen, geschulten und geschärften Wahrnehmung kann man diese jedoch gut erkennen und einordnen. Unterschiede gibt es hauptsächlich im Arbeitsmarkt- und Berufskontext, da vieles anders strukturiert, organisiert und rechtlich geregelt ist. Hier bin ich natürlich nicht überall Experte, weiß jedoch, an wen sich meine Kunden im Zweifelsfall wenden können.

Abschließend möchte ich Sie fragen, inwieweit dieses Jahr in Australien Ihre Tätigkeit als Coach hier in Freiburg beeinflusst?

Der Blick ist geweitet und ich würde fast sogar sagen, dass dies ein Jahr der Qualitätssicherung für meine Arbeit als Coach und Berater war. Durch einen solchen Wechsel – von einem vertrauten, in einen nicht vertrauten Kontext zu wechseln – macht man seine Wahrnehmung entweder zu, oder auf. Ich habe aufgemacht und die Wahrnehmung wieder geschärft. Dabei habe ich andere Einstellungen zum Leben und zur Arbeit im direkten Umgang mit Menschen eines anderen Kulturkreises erfahren. Das Wesentliche, das ich mitnehme, ist ein geschärfter Blick, den ich jetzt auch hier im Coaching einsetzen kann. Und die Erkenntnis wie wichtig es ist, den Blick immer wieder zu schärfen.

Haben Sie dazu ein konkretes Beispiel.

Erst gestern ging es im Coaching mit einer Kundin um die Arbeits- und Lebenseinstellung, welchen Platz die Arbeit in ihrem Leben dazu einnimmt und welches persönliche Identitätsbild sich daraus ergibt. Da war es sehr hilfreich, auch die gesammelten Erfahrungen aus Australien abgespeichert zu haben beziehungsweise einfließen lassen zu können.

Herr Willmann, ich danke Ihnen recht herzlich für unser Gespräch!

Ich danke Ihnen, Frau Würtherle.

 

Kontaktdaten Hans-Georg Willmann:
WILLMANN DER COACH.

Hans-Georg Willmann
Klarastraße 58
79106 Freiburg

Telefon: +49 (0)761 70 76 180
Mobil: +49 (0)171 71 61 901
E-Mail: willmann@willenskraft.de
Online: www.willenskraft.de